Bisher
gefahrene Kilometer: 27000
Direkt am
ersten Tag in Ecuador wurden wir in Tulcán von einer Frau auf der Straße
angesprochen und für den nächsten Tag zum Essen zu ihr nach Hause eingeladen.
Bei einem typischen Frühstück unterhielten wir uns über die aktuelle politische
Situation, die Folgen des Erdbebens und bekamen Empfehlungen und Kontakte für
unsere Weiterreise in Ecuador.
Am
Nachmittag trafen wir uns mit unseren französischen Freunden, die wir in
Kolumbien kennengelernt hatten und mit denen wir die folgende Woche
verbrachten. In Autokolonne fuhren wir nach Otavalo, wo wir den berühmt
berüchtigten Kunsthandwerkmarkt der Indigenen besuchen wollten. Nach einem erfolgreichen
Shoppingtag über den wirklich schönen Markt gönnten wir uns noch ein paar
ecuadorianische Leckereien: "Fritadas", ein Teller voller frittierter
Dinge, die es an jeder Ecke gibt und zum Nachtisch ein "Helado de
paila", ein Eis das noch nach der traditionellen ecuadorianischen Art
hergestellt wird. Die Zutaten werden in einer Kupferschüssel gemischt, die
wiederum in eine Wanne mit Eis & Salz gestellt wird. Dann wird die Schüssel
etwa 10 Minuten lang mit viel Schwung gedreht, bis die die Masse gefriert und
nach und nach zu einem cremigen Eis wird.
Am
Nachmittag fuhren wir weiter nach Quito bzw. zur "Mitad del Mundo" –
der Mitte der Welt. Auf einem Teil des Äquators der durch Ecuador läuft wurde
ein Turm erbaut und die Linie, die die Nord- von der Südhalbkugel trennt
aufgemalt. Jedoch ist der Turm wohl ein paar hundert Meter in Richtung Süden
verschoben und deshalb gar nicht wirklich auf dem Äquator. Wir hatten trotzdem
viel Spaß dabei von Nord nach Süd zu hüpfen.
Da Alfonso
die letzten Tage immer sehr schlecht startete und lange brauchte um warm zu
werden, schauten Clement (Mechaniker) & Flo sich den Motor an. Sie
bastelten ein bisschen rum und konnten sogar eine Lösung finden. Das Problem
liegt wohl hauptsächlich an der Höhe. Nun ist der Vergaser an die dünnere Luft
angepasst und Alfonso kommt wieder etwas besser die Berge hinauf.
Während die
Jungs an Alfonso bastelten kam die Besitzerin des Grundstücks vorbei auf dem
wir parkten und brachte uns warme Empanadas. Wirklich sehr gastfreundlich die
Ecuadorianer.
In Quito
machten wir eine Free Walking Tour und lernten einige interessante Facts über
Land und Leute: Wir hörten über einen Präsidenten der gemeinsam mit ein paar
Bankern der Bevölkerung Milliarden an Geld gestohlen hat und nun Asyl in den USA
hat, über andere Präsidenten die vom Volk hingerichtet wurden oder fliehen
mussten, über die Inflation des Sucre und den alternativlosen Wechsel zum
Dollar, dass Ecuador das Nr.1 Exportland von Rosen ist, dass Quito einst eine
Inka Hochburg war, wegen seiner Nähe zur Sonne und vieles mehr.
Unser
letzter Programmpunkt in Quito war die Besteigung des 4000m hohen Vulkan
Pichincha. Die dünne Höhenluft machte das Wandern sehr anstrengend, doch die
traumhafte Aussicht über Stadt und Bergpanorama entschädigte jeden
Schweißtropfen. Kurzzeitig konnten wir sogar schneebedeckte Gipfel von über
5000m hohen, weit entfernten Bergen sehen.
Zu unserem
letzten gemeinsamen Frühstück machten unsere Freunde französische Crêpes mit
frischer Karamellcreme. Anschließend fuhren sie weiter nach Süden und wir nach
Westen Richtung Mindo. Dort angekommen erkundigten wir uns in einem Touristen
Büro, was man alles unternehmen kann. Neben Wasserfallwanderungen, Tubing und
Canopy konnte man auch eine Schokoladentour buchen. Die 10$ pro Person
schreckten uns jedoch etwas ab, so dass wir direkt zu der Schokoladenfabrik "El
Quetzal" gingen und fragten, ob wir nicht als Volontäre eine Woche dort
arbeiten können. Am nächsten Morgen um 8 Uhr fingen wir an.
Helen half
in die Küche, wo aus der Kakaomasse die Schokolade für den Verkauf gefertigt
wurde und Flo half den Jungs bei den Männerarbeiten: Kakao rösten, mahlen, eine
Tonne voller Ingwer raspeln, 1000 Zitronen pressen, Ingwerbier brauen, Avocado
& Macadamia Öle pressen, Tonnen schleppen, Flaschen ausspülen etc.
Helen in der
Küche hatte entspanntere Aufgaben: Gießformen spülen und penibelst abtrocknen,
Schokoladenmasse aufheizen, temperieren, Förmchen füllen, Schokolade abpacken,
Verpackungen beschriften etc. Von Anfang bis Ende also reine Handarbeit.
Wir waren
beide ganz froh mit der Aufgabenteilung. Flo konnte mit den Jungs witzeln und
wurde direkt als einer von ihnen anerkannt – Hauptthema: Frauen.
Helen stand
den ganzen Tag im kühlen, nach Schokolade duftenden Raum und machte die
Feinarbeit.
Insgesamt
hat uns die Arbeit dort super gut gefallen und wir durften sogar gratis die
Schokoladentour mitmachen und lernten einige interessante Facts über die
Kakaobohne und -verarbeitung:
Der
Kakaobaum braucht 5 Jahre bis er Früchte trägt. Diese reifen wiederum 2 Monate
am Baum bis man sie ernten kann. Die neue Hybrid Züchtung trägt etwa bis sie 15
Jahre alt ist, bringt dafür jedes Jahr sehr viel Ertrag. Die traditionelle,
ecuadorianische Pflanze kann bis zu 100 Jahre alt werden, wobei die Früchte mit
dem Alter des Baumes immer besser werden. Die Früchte der traditionellen
Pflanze sind gelb, die der Hybrid Züchtung rot. Jeweils bestehen die Bohnen zur
Hälfte aus Kakaobutter. Auch eine chemische Behandlung mit Pestiziden verändert
die Früchte: Die Bohnen sind viel größer, aber haben weniger Geschmack.
Ökologisch angebauter Kakao hat kleinere, dickere Bohnen, mit intensivem
Geschmack. Wenn die Frucht geerntet ist werden Bohnen herausgepuhlt, 4 Tage
fermentiert, 20 Tage getrocknet, eine knappe Stunde geröstet, grob gemahlen,
per Luftkanal werden die Schalen von den Kakaostückchen (Nibs) getrennt. Die
Schalen können als Tee verwendet werden, die Nibs werden weiterverarbeitet. Sie
werden fein gemahlen, bis eine cremige Masse daraus wird. Diese wir dann 3 Tage
lang conchiert. Aus dieser Kakaorohmasse kann nun entweder Kakaopulver und
Kakaobutter hergestellt werden oder Schokolade. Das Pulver kann für heiße
Schokolade oder zum Backen verwendet werden, die Butter für weiße Schoko oder Lippenbalsam,
Bodylotion etc. Je nachdem wie bitter die Schokolade werden soll, wird gar
keiner oder bis zu 33% Rohrzucker der cremig, flüssigen Masse zugefügt und nun
beginnt die Feinarbeit.
Die Masse
muss auf exakte Temperaturen erhitzt und wieder abgekühlt werden, damit die Tafeln
nicht weiß anlaufen. Je nachdem welche Sorte hergestellt wird, werden dann
Nüsse, Kaffee, Ingwer o.ä. hinzugefügt. Anschließend wird die Masse in Förmchen
gegossen, durch Klopfen und Schütteln wird dafür gesorgt, dass die Schokolade
in jede Ecke fließt und anschließend werden die Förmchen auf einer vibrierenden
Platte so durchgeschüttelt, dass jedes Luftbläschen aus der Schokolade blubbert
und eine knackige, dunkle Tafel entsteht. Vor dem Abpacken kommt die
Qualitätsüberprüfung: Chocolatier Don Victor riecht, bricht, probiert und
schaut ganz genau den Glanz der Tafel an. Ist die Schokolade zu matt wurde sie
nicht exakt temperiert und muss wieder eingeschmolzen werden.
Wenn die
Schokolade die strenge Qualitätsprobe besteht wird abgepackt: ab in ein Plastiktütchen,
vorsichtig zu schweißen, die Schweißnaht gerade abschneiden, eine Pappschachtel
mit dem Datum beschriften, einpacken, zukleben. Nun, nach etwa 30 Tagen
Verarbeitung, ist das 50g Täfelchen fertig und kann für stolze 5$ verkauft
werden. Klingt nach sehr viel Geld, wenn man jedoch die enorme Handarbeit die
dahintersteckt gesehen hat, ist der Preis irgendwie auch gerechtfertigt. Gott
sei Dank durften wir gratis etwas naschen und probieren, denn wir können uns
dieses edle Produkt beim besten Willen nicht leisten.
An unserem
letzten Tag in Mindo durfte Helen noch in einem kleinen Quinoa Restaurant
nebenan in die Küche schauen und ein paar leckere Rezepte lernen. Flo ging in
der Zeit angeln, durch die wunderschöne Landschaft spazieren und kochte unser
Abendessen: Selbstgemachte Schupfnudeln mit Sauerkraut.
Jose, ein
Angestellter bei "El Quetzal" erzählte uns dass seine Familie eine
kleine Kakaofinca in Puerto Quito betreibt und lud uns ein, ihn dort zu
besuchen. Angekommen auf der Finca bekamen wir von Josés Mutter eine Führung
durch das Gelände mit leckeren Kostproben direkt vom Baum.
Dort wachsen
neben Kakao alle möglichen abgefahrenen
Obst- und Gemüsesorten, von denen wir einige bisher noch nie gesehen
hatten. Neben den Pflanzen (hauptsächlich Kakao, Bananen (12 verschiedene
Sorten), Yucca, Zuckerrohr, Kaffee, Papaya, Zitrusfrüchte und dann noch ein
paar abgefahrene Sachen) haben sie auch einige Nutztiere (Hühner, Schweine,
Enten, Truthahn, Meerschweinchen, Fische) und eine kleine Käsefabrik. Abgesehen
vom Kakao nutzen sie das alles hauptsächlich zum Eigenverbrauch – auch die
Meerschweinchen werden hier gegrillt. Auf der gesamten Finca arbeiten sie nur
ökologisch und verwenden keine chemischen Dünger oder Pestizide. Außerdem legen
sie Wert auf Multikultur um Nachhaltigkeit zu gewährleisten.
Wir wurden
total nett aufgenommen, bekocht und reichlich mit Leckereien ausgestattet.
Außerdem waren alle so begeistert von Alfonso, dass sie ihn uns am liebsten
direkt abgekauft hätten.
Um beim
Aufbau nach dem Erdbeben vor vier Wochen mit anzupacken, fuhren wir an die
Küste nach Pedernales, die Stadt die am stärksten zerstört wurde. Schon auf dem
Weg dorthin sah man ein paar Schutthaufen, die wohl mal Häuser waren, Zelte,
halb zerfallene Häuser und Schilder mit "Necesitamos ayuda". In der
Stadt war fast jedes Haus eingestürzt oder sehr stark beschädigt. Wir kamen uns
vor wie in einem Kriegsgebiet. An einer Polizeistelle fragten wir, wo wir uns
zum Helfen melden können und wurden zu der Koordinationststelle (COE) zwischen
Hilfsorganisationen, Polizei und Regierung geschickt. Dort wurden wir von einem
Unicefmitarbeiter zu einem Meeting zum Thema Wasserversorgung und Hygiene in
den Notunterkunft-Camps eingeladen. Die verschiedenen NGOs (u.a. Rotes Kreuz,
Unicef, Accion contra el hambre (Aktion gegen Hunger), international medical
corp, UNHCR, kirchliche Hilfsorganisationen) berieten sich, wie sie
schnellstmöglich und effizient die Wasserversorgung sichern und mit
Hygienebelehrungen Krankheiten vermeiden können. Wir waren direkt mittendrin
und konnten das organisierte Chaos miterleben. Rafael, ein Spanier von Accion
contra el hambre, sprach nach dem Meeting kurz mit uns und meinte wir könnten
ihm bei der Vorbereitung und Durchführung von Hygieneschulungen helfen.
Am nächsten
Tag fuhren wir in das Camp um uns ein Bild zu machen und wurden positiv
überrascht von der guten Organisation. In Containern sind Toiletten und Duschen
aufgebaut, die recht geräumigen Zelte werden von 2 – 8 Personen bewohnt und
sind mit Feldbetten ausgestattet. In der Mitte des Lagers befindet sich ein
kleiner "Dorfplatz" mit Volleyballnetz, einem kleinen Spielplatz und
zwei großen Unicef Zelten, die entweder als Fußballfeld oder für Versammlungen dienen.
Außerdem
gibt es ein paar große Pavillons mit Tischen und Stühlen und es wird eine Küche
aufgebaut. Überall ist Polizei und Militär präsent, die sich um die Sicherheit
der Leute kümmern. Gleichzeitig unterhalten sie aber auch die Kinder und man
sieht nicht selten einen Polizisten mit Volleyball spielen oder ein kleines
Kind auf dem Arm tragen. Als wir ankamen war eine Gruppe des Innenministeriums
vor Ort, die mit den Kindern Lieder sang und Reime einstudierte. Umgedichtete
Versionen von "Para bailar la bamba" zu "Usamos Repelente"
(Lasst uns Moskitoschutz benutzen), ein Händewasch Lied und so weiter. Vor
allem für die Kinder ist das Camp wie ein riesengroßes Zeltlager zum Spielen,
viel Spaß und Unterhaltung. Den Älteren sah man jedoch oft die Trauer und
Verzweiflung an, da viele von ihnen neben ihrem Zuhause auch Familienmitglieder
und Freunde verloren haben.
Mit Rafael
setzten wir uns an einen der Tische und bereiteten die Präsentation vor. Schon
bald kamen ein paar neugierige Kinder und nahmen Flo und mich in Beschlag. Wir
spielten Pferdchen, Flugzeug und machten schließlich einen langen Zug aus
Stühlen…wobei so viele Kinder auf Flos Schoß wollten, dass wir Angst hatten der
Stuhl kracht. Am Abend veranstaltete Rafael die Hygiene Sitzung und wir halfen
ihm mit Protokollschreiben.
Am nächsten
Nachmittag sollten wir Rafael helfen einen neuen Wassertank zu installieren. Wir
gingen jedoch schon früher ins Camp um uns mit den Kindern zu beschäftigen. Wir
brachten Buntstifte und Mandalas mit und hatten innerhalb kürzester Zeit 30-40
Kinder und auch Erwachsener um uns, die mit Begeisterung die Mandalas
ausmalten. Flo holte später noch unseren Faden zum Armbändchen Knüpfen und brachte
ein paar Frauen das Knüpfen bei. Zwischendurch spielten wir wieder Pferdchen,
Flugzeug und zeigten dem ein oder anderen neugierigen Kind Alfonso. Später half
Flo noch bei der Installation des Wassertanks.
Eine kleine,
hartnäckige, verschmuste Gruppe kleiner süßer Kinder blieb bis zum Schluss an
uns hängen, wir spielten Fangen und Verstecken zwischen den Zelten, erklärten
ihnen wo Deutschland ist und dass man dort nicht mit dem Bus hinfahren kann,
Flo setzte sich die Kleinen auf die Schultern und wurde mit Küssen überhäuft.
Es war wirklich schwer am Ende Abschied zu nehmen.
Generell
viel uns auf, dass täglich bemerkenswert schnelle Fortschritte im Wiederaufbau
gemacht werden und ein unglaublich großes Zusammengehörigkeitsgefühl unter den
Betroffenen herrscht.
Wir brachten
noch ein paar Spiele und Klamotten, die wir ausmisten konnten ins Camp und fuhren
am nächsten Tag weiter Richtung Süden, um von Puerto Lopez aus auf die
"Isla de la Plata" zu fahren. Die Insel ist wie eine kleine Version
der Galapagos Inseln, die man im Rahmen einer Tour an einem Tag besichtigen
kann – Galapagos für Arme.
Nach einer
einstündigen Fahrt auf einem 300 PS Boot kamen wir auf der Insel an und wurden
von Meeresschildkröten die sich ums Boot tummelten begrüßt. Ein Guide führte
uns über die Insel und zeigte die verschiedenen Pflanzen und Tiere. Und schon
bald sahen wir die ersten Blaufußtölpel (eine Art Möwe mit blauen Füßen). Die
Vögel waren total unerschrocken und man konnte bis auf einen halben Meter nah
an sie heran. Die Aussicht von der Insel auf das tiefblaue Meer rundherum ist
gigantisch. Wir kamen an immer mehr Blaufußtölpeln vorbei , entdeckten
zahlreiche medizinische Pflanzen und am Ende sahen wir noch "Frigatas",
schwarze Meeresvögel die wie große Schwalben aussehen. Die Besonderheit: Die
Männchen haben am Hals einen roten Sack, den sie zu einem riesigen Ballon mit Luft
aufblasen können um in der Balzzeit Weibchen anzulocken. Nach einem kleinen
Snack auf dem Boot sprangen wir noch mit Schnorchel ins Wasser. Dort erwarteten
uns ein paar der Darsteller des "Findet Nemo" Films. Unter vielen
kleinen und größeren bunten Fischen in den Korallen sahen wir einen Artgenossen
von "Kahn" (Halfterfisch, bei Nemo der Chef im Aquarium) und einen
großen Schwarm Dories (blauer Doktorfisch) und waren überrascht: Dorie ist in
Natur sehr viel größer als man denkt, bestimmt 30-40cm lang! Auf dem Rückweg
zum Festland gabs noch eine Überraschung. Auf halber Strecke begleitete uns ein
Schwarm Delfine für ein Stückchen, die immer wieder aus dem Wasser sprangen.
Ein wirklich toller Ausflug.